Staatsoper Stuttgart – Die Zauberflöte (Wiederaufnahme)

Die Zauberflöte

Foto ©Martin Sigmund

In deutschen Theatern gehört Die Zauberflöte zu den Werken, die die Möglichkeit garantierter Kasseneinnahmen bieten, und tatsächlich waren auch bei dieser Wiederaufnahme von Barrie Koskys wunderschöner Inszenierung an der Staatsoper Stuttgart alle Vorstellungen im Voraus fast ausverkauft. Das war aber irgendwie logisch, da Mozarts Meisterwerk hier in Deutschland bei Musikliebhabern jeden Alters und auch bei Kindern beliebt ist, die immer gerne kommen, um es zu sehen. In diesem Zusammenhang muss ich hinzufügen, dass ich als Italiener immer wieder erstaunt bin, wie viele junge Zuschauer regelmäßig die Aufführungen der Staatsoper besuchen. Auch bei dieser Gelegenheit waren zahlreiche Schüler im Alter von elf bis achtzehn Jahren anwesend, und es war eine echte Show in der Show, diese jungen Zuschauer zu beobachten, die die Geschichte aufmerksam verfolgten und herzlich über Papagenos Witze lachten. Der Vergleich mit dem verputzten Formalismus der Mumien, die den Großteil des italienischen Opernpublikums ausmachen, könnte gnadenloser nicht sein.

Dieser Abend bot Gelegenheit, die Oper in der ursprünglich 2012 von Barrie Kosky und der auf Animationsfilme spezialisierten englischen Gruppe 1927 für die Komische Oper Berlin inszenierten Produktion zu sehen, die in zwölf Jahren in 23 Länder exportiert und von mehr als gesehen wurde sechshunderttausend Zuschauer. Eine ganz besondere Produktion bereits in ihrer Formulierung, hier endlich vollständig präsentiert, ohne die während des Pandemie-Wahnsinns auferlegten Verstümmelungen. Um konkret auf das Gesehene einzugehen: Das Bühnengeschehen findet vor einer Leinwand statt, auf der die Sänger durch eine Reihe von Drehtüren auftauchen und sich auf einem Hintergrund bewegen, der aus einem Cartoon besteht, in dem sich schwarze und weiße Bilder ständig abwechseln Farbe, die teilweise an das surrealistische Kino der 1920er Jahre erinnert. Praktisch sah sich das Publikum im Theater eine Art Stummfilm an, in dem die Sänger ihre Rollen kaum bewegten und auf gesprochene Dialoge gänzlich verzichtet wurde, sondern durch von einem Hammerklavier musikalisch untermalte Bildunterschriften ersetzt wurden. Sehr schön waren in diesem Zusammenhang die Charakterisierungen von Papageno und Monostatos, letzterer verkleidet als Protagonist des berühmten expressionistischen Films Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens von Friedrich Wilhelm Murnau. Aber die gesamte Inszenierung konnte aufgrund der technischen Geschicklichkeit ihrer Entstehung mit Vergnügen angeschaut werden.

Das einzige Problem dieser Produktion ist neben der Tatsache, dass sie sich für mich nur schwer als Beispiel vorstellen lässt, das sich auch auf andere Titel übertragen lässt, dass Mozarts Meisterwerk in dieser Interpretation ausschließlich aus einer phantastischen und fabelhaften Perspektive betrachtet wird , wobei alle anderen Inhalte einer ziemlich komplexen Geschichte vernachlässigt werden. Das Spiel funktioniert in diesem Fall, weil, wie wir wissen, Die Zauberflöte ein Text ist, der aus vielen verschiedenen Blickwinkeln interpretiert werden kann, das Experiment aber meiner Meinung nach nicht in anderen Kontexten oder für andere Werke des Repertoires wiederholt werden kann. Unter anderem verhindert der völlige Verzicht auf gesprochene Dialoge das Verständnis mehrerer wichtiger Aspekte der Dramaturgie. Darüber hinaus schränkte eine so konzipierte Inszenierung die schauspielerischen Möglichkeiten der Sänger stark ein, die aufgrund der unterschiedlichen Höhenlage der Drehplattformen zudem Angst davor hatten, mit Sicherheitsgurten gefesselt zu werden. Auf jeden Fall stellte der szenische Teil als Demonstration der mit wenigen Mitteln erreichten Kreativität und als Beispiel einer für ein Kinderpublikum geeigneten Show ein insgesamt intelligentes Experiment und einen Versuch dar, gewürdigt zu werden.

Die Zauberflöte

Foto ©Martin Sigmund

Wie schon bei den Aufführungen im vergangenen März konnte auch dieses Mal endlich eine vertiefte Beurteilung des musikalischen Teils abgegeben werden, der in der Aufführungsreihe im Herbst 2020 aufgrund der auf dreizehn Instrumentalisten reduzierten Orchesterbesetzung kaum zu rechtfertigen war. Hinzu kamen die Koordinationsprobleme zwischen Graben und Bühne, da sich die Sänger in den Nebenlogen und der Chor auf der Empore befanden. Zwei Jahre Corona-Wahnsinn haben uns gelehrt, dass man unter diesen Bedingungen einfach keine Musik machen kann und das Beste, was man erreichen kann, darin besteht, dass sich alle an den Takt halten. Für diese Wiederaufnahme vertraute die Staatsoper Stuttgart die Leitung der Aufführung dem 29-jährigen Mexikaner José Luis Gutiérrez an, der als Dirigent und Kapellmeister am Mttelsäschischen Theater Freiberg tätig ist und eine Interpretation eines sehr punktuellen Theatertempos schuf und mit transparenten, leichten und flüssigen Klängen und bewies auch eine gute Fähigkeit, Orchestergraben und Bühne zu koordinieren.

Auch die Gesangsbesetzung war von bemerkenswerter Qualität und bestand aus einigen der besten jungen Stimmen des Staatsopernensembles. Insbesondere stach Claudia Muschios intensive und leidenschaftliche Pamina hervor, die zum ersten Mal in ihrer Karriere eine auf Deutsch gesungene Rolle in Angriff nahm. Die 29-jährige Sopranistin aus Brescia zeigte einmal mehr alle Vorzüge ihrer leuchtenden Stimme und schaffte es auf eine technisch sehr raffinierte Art und Weise, die es ihr ermöglicht, exquisite dynamische Nuancen in allen Tonhöhen zur Geltung zu bringen. Aus interpretatorischer Sicht war ein gutes stilistisches Bewusstsein zu würdigen, ebenso wie eine sehr akkurate Aussprache der Liedtexte, die für einen Sänger, der kein deutscher Muttersprachler ist, wirklich bemerkenswert ist. Sehr gut gefielen auch der souveräne Sarastro des kroatischen Basses Goran Juric, der sich durch seinen soliden Gesang und seinen charismatischen Interpretationston auszeichnete, der Tamino mit einer frischen und fesselnden Stimme, dargeboten vom amerikanischen Tenor Charles Sy, und der Papageno des Österreichers Bariton Michel Nagl, der witzig und mitreißend gesungen und gespielt wurde. Gut gefiel auch die Leistung der chinesischen Sopranistin Alma Ruoqi Sun, einer Schülerin des Opernstudios, die in der Rolle der Königin der Nacht ein für Sicherheit und Projektion ausreichend hohes Register zeigte. Sehr wirkungsvoll war auch der Auftritt der Drei Damen, gesungen von Josefin Feiler, Olivia Johnson und Itzeli Jáuregui. Alle anderen Interpreten der Nebenrollen waren ebenfalls gut, besonders hervorzuheben ist der Monostatos des jungen amerikanischen Tenors Elmar Gilbertsson, der in seiner Phrasierung einfühlsam und prägnant war. Das Publikum war von der heiteren und unbeschwerten Stimmung des Abends zutiefst involviert, hatte jede Menge Spaß und applaudierte allen Protagonisten lange.


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