Staatsoper Stuttgart – Der Spieler

Foto ©Martin Sigmund

Als vierte Neuproduktion der aktuellen Saison präsentierte die Staatsoper Stuttgart Igrok (Der Spieler), Prokofjews Oper nach dem gleichnamigen Roman von Fjodor Dostojewski, den der Komponist schon seit seiner Studienzeit am St. Petersburger Konservatorium vertonen wollte. Die konkrete Möglichkeit, diesen Wunsch zu erfüllen, ergab sich 1916, als Alexander Siloti, der berühmte Pianist und Cousin Rachmaninows, ihn mit Albert Coates, dem damaligen Direktor des Mariinsky-Theaters, in Kontakt brachte und ihm versprach, für die Aufführung zu sorgen. Die Oper wurde zwischen 1915 und 1917 komponiert, blieb jedoch nie aufgeführt, da die Sänger große Ansprüche hatten und die Komposition der Gesangsrollen zu schwierig fanden. Die Uraufführung fand erst 1929 im Théâtre de la Monnaie in Brüssel statt, die politischen Ereignisse der folgenden Jahre verhinderten jegliche Aufführung des Werks in der Sowjetunion, da Prokofjews Musik wegen des Vorwurfs des Formalismus verboten war. 1963 fand in Moskau eine konzertante Aufführung statt, und 1974 folgte die erste Bühnenaufführung im Bolschoi-Theater unter der Regie von Boris Pokrowski. Galina Vishnevskaja spielte Polina. Es war ihr letzter Auftritt vor ihrer Ausreise aus der UdSSR. Im vergangenen Sommer wurde die Oper auch bei den Salzburger Festspielen aufgeführt, in der Regie von Peter Sellars und mit Asmik Grigorian als Polina.

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Beim Verfassen des Librettos versuchte Prokofjew, dem Roman so nahe wie möglich zu bleiben, auch wenn er die Rouletteszene völlig neu schrieb. Die Gesangspartien sind im typischen deklamatorischen Stil geschrieben, der von Mussorgsky und Dargomiskij in die russische Oper eingeführt wurde, in einer durchkomponierten Struktur, in der Arien und Ensemblestücke fehlen. Der Höhepunkt der Handlung ist zweifellos die Rouletteszene, in der die Einsätze des Chors durch eine Reihe kleiner Solorollen verstärkt werden. Roulette selbst hat seine eigene wichtige orchestrale Konnotation, die durch dissonante Aspekte gekennzeichnet ist, als ob sie den subtilen und schrillen Aspekt des Spiels unterstreichen wollten; Das Ballthema ist eine brillante Idee des Musikers, der die Kreisbewegung bis zum Stillstand mit einem fast spöttischen Klang perfekt umsetzt. Die Musik ist im schrillen, aggressiven Stil der frühen Prokofjew geschrieben und zeichnet sich durch einen komplizierten Rhythmus und die beharrliche Verwendung dissonanter Akkorde aus. Der Komponist überarbeitete die Partitur vor der Uraufführung in Brüssel und vereinfachte die Instrumentierung, um alle Einzelheiten des Textes völlig verständlicher zu machen.

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Die Staatsoper Stuttgart hat die Regie dieser Neuproduktion dem 41-jährigen Berliner Theater- und Fernsehregisseur Axel Ranisch anvertraut, der hier in Stuttgart bereits „Die Liebe zu drei Orangen“ und „Hänsel und Gretel“ mit großem Erfolg inszeniert hat. Die surrealen und grotesken Aspekte der Handlung wurden durch eine szenische Lesung voller amüsanter Effekte, sehr farbenfroh und lebendig, maximal verstärkt, wodurch das mechanische und marionettenhafte Spiel der Geschichte perfekt hervorgehoben wurde, auch wenn die szenische Erzählung des ersten Teils manchmal etwas verwirrt erschien. Das Ergebnis war eine lebendige, temperamentvolle und witzige Show, die Filmsprache und theatralische Gesten auf sehr attraktive Weise mischte und über ein ausgeprägtes Gespür für das Geschichtenerzählen und den narrativen Rhythmus verfügte. Auch die musikalische Darbietung schien von hoher Qualität zu sein, was vor allem Nicholas Carter zu verdanken war, dem 40-jährigen australischen Dirigenten, der als nächster Generalmusikdirektor der Staatsoper vorgesehen war. Er verlieh der Geschichte einen wunderschönen theatralischen Rhythmus und entlockte dem Staatsorchester Stuttgart wertvolle Instrumentalklänge und Klangfarben. Sein Dirigat schien aufgrund ihrer Akribie und rhythmischen Virtuosität, des Reichtums an Instrumentalfarben und ihrer Fähigkeit, alle stilistischen Einflüsse hervorzuheben, die Prokofjew in diesem Werk aus dem Jazz, den Rhythmen des Volkstanzes und auch aus bestimmten Atmosphären von Puccinis letzter Produktion bezog, exzellent zu sein.

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Auch die Stimmenbesetzung war von guter Qualität, die Hauptrollen wurden von vier hochkarätigen Stimmen übernommen. Die 49-jährige litauische Sopranistin Ausrine Stundyté, international bekannt für ihre Interpretationen der Rolle der Elektra, porträtierte eine leidenschaftliche und sentimentale Polina und zeigte eine breite, schöne Stimmfarbe mit hellen, durchdringenden hohen Tönen. Daniel Brenna, ein 54-jähriger amerikanischer Tenor, der hier in Stuttgart bereits als Tamburmajor in Wozzeck, Siegfried und Aegisth überzeugte, verfügt über eine solide und sichere Stimme, passend zur Rolle des Alexej, der die Charakteristika eines kraftvollen Tenors deklamatorischen Typs aufweist, wie zum Beispiel Hermann in Pikowaja Dama. Auch der kroatische Bass Goran Jurić, einer der besten Ensemblemitglieder der Staatsoper, überzeugte in der Rolle des Prinzen. Die 56-jährige französische Mezzosopranistin Veronique Gens, eine großartige Interpretin des Barockrepertoires, brachte das richtige Maß an sarkastischer Ironie in die Figur der Babulenka, der alten und reichen Tante des Generals und Polinas Großmutter. Lobenswert waren auch die Leistungen von Stine Marie Fischer als Blanche und des japanischen Baritons Shigeo Ishino in der Rolle des Mr. Astley. Auch alle Interpreten der zahlreichen Nebenrollen leisteten ihren wertvollen Beitrag zum Gelingen einer überaus interessante und gelungen Spektakel, das am Ende auf begeisterten Publikumserfolg stieß.


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