Foto ©Enrico Nawrath
Nach den Überlegungen zur Rolle des Künstlers in der Gesellschaft, die Katharina Wagners Regie prägten, und jenen zum Antisemitismus, die Barrie Koskys Produktion zugrunde lagen, wollte die neue Meistersinger-Inszenierung, mit der die Bayreuther Festspiele eröffnet wurden, den komödiantischen Charakter von Wagners Meisterwerk hervorheben. Matthias Davids, ein 63-jähriger Regisseur aus Münster und seit 2012 künstlerischer Leiter der Musicalabteilung des Landstheaters Linz, ist vor allem für seine Arbeit in Musicals bekannt, wo er auch Rollen wie die Titelfigur in Jesus Christ Superstar, Vince Fontaine in Grease und Action in West Side Story verkörperte. Seine Regie konzentrierte sich darauf, die bürgerliche Komödie – sicherlich einen der Schlüsselaspekte der Oper – in einem figurativen Stil hervorzuheben, der auf sehr farbenfrohen Bildern, insbesondere in den Massenszenen, und im Grunde essentiellen, aber wirkungsvollen szenografischen Elementen basiert. Die Figuren trugen Kostüme aus verschiedenen Epochen, mit humorvollen Einlagen wie den Narrenkappen der Meister und der E-Gitarre, mit der Beckmesser versuchte, sich ein moderneres Aussehen zu präsentieren.
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Die Bühnenerzählung beleuchtete vor allem die Geschichte der beiden jungen Liebenden, die ihren Traum verwirklichen, die Hindernisse der Erwachsenengeneration überwinden und schließlich allein die offizielle Zeremonie abbrechen. Dazu kamen die Darstellungen des gutherzigen älteren Mannes, der ihnen hilft, und des grotesken Rivalen. Matthias Davids wollte uns nicht mehr verraten: Die von Wagner in dieser Oper zum Ausdruck gebrachten Überlegungen, die sich vor allem mit der Rolle der Kunst in der Gesellschaft und seinen persönlichen Erfahrungen als Künstler befassen, der mit Konventionen und den Grenzen seiner kreativen Freiheit, die ihm durch die von der Tradition kodifizierten Regeln auferlegt wurden, ringt, wurden von Anfang an aus seiner szenischen Konzeption ausgeschlossen. Auf jeden Fall war die Veranstaltung sehr unterhaltsam, flüssig und mit einem angenehmen Theatertempo, aber auch amüsant mit einigen humorvollen Einlagen, wie etwa in der Schlussszene, in der Merkel-, Thomas Gottschalk- und Milva-Doppelgänger auftraten. Und ehrlich gesagt war ich sehr erfreut, endlich einmal eine Regie zu erleben, die auch ohne Bedienungsanleitung verständlich war.
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Die größte Genugtuung dieser Aufführung war vor allem die wahrhaft hohe Qualität der musikalischen Darbietung, insbesondere Daniele Gattis hervorragendes Orchesterleitung. Der Mailänder Maestro entlockte dem großartigen Festspielorchester prächtige Orchesterfarben und authentische stilistische Feinheit und schuf mit ihm eine fesselnde Interpretation des Werks – dank der flüssigen Phrasierung, der atemberaubenden Umsetzung der Instrumentaldynamik und der technischen Perfektion in den komplexeren kontrapunktischen Passagen, wie etwa der Schlägerei am Ende des zweiten Aufzugs, wo ausnahmsweise einmal alle verschiedenen Abschnitte klar und deutlich wahrgenommen wurden, anstatt des klanglichen Magmas so vieler anderer Aufführungen. Auch die Wiedergabe des Vorspiels zum dritten Aufzug war absolut fesselnd, ebenso wie die Atmosphäre der magischen Schwebe, die Gatti durch die Verschmelzung der Stimmen im Quintett erreichte. Ein großartiges Dirigat, sicherlich eines der besten, das man je von diesem Meisterwerk Wagners gehört hat, dessen volle Ausdruckstiefe Gatti einzufangen vermochte. Hochwertig war auch die Leistung des Festspielchors, der erstmals vom neuen Leiter Thomas Eitler-de Lint geleitet und durch den Eintritt vieler neuer Mitglieder verjüngt wurde.
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Was die Gesangsbesetzung betrifft, so wurden die besten Leistungen von den Interpreten des Liebespaares geboten. Die Stimme des amerikanischen Tenors Michael Spyres, der den italienischen Gesangsstil gewohnt ist, war ideal für die Darstellung des idealistischen und verträumten Walther von Stolzing. Diese wurde durch die großartigen piani– und pianissimi seiner Soli noch verstärkt und gipfelte in einer leidenschaftlichen und inspirierten Darbietung des Preisliedes. Die junge schwedische Sopranistin Christina Nilsson, die ich letztes Jahr in Frankfurt als Elisabeth im Tannhäuser sehr schätzte, porträtierte Eva als eine süße und zarte, aber entschlossene Frau, die Walther um jeden Preis zum Ehemann gewinnen will. Ihre frische und leuchtende Stimme, technisch mit großer Präzision beherrscht, ermöglichte ihr eine äußerst elegante und raffinierte Phrasierung. Im anderen Paar waren die Charakterisierungen des lebhaften und selbstbewussten David durch den Schweizer Tenor Matthias Stier und der sehr praktischen und mütterlichen Magdalena sowie voller gesundem Menschenverstand, dargestellt von der Mezzosopranistin Christa Mayer, einer Veteranin der Bayreuther Festspiele, sehr wirkungsvoll.
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Unter den tieferen Stimmen schien Georg Zeppenfelds Sachs, der sein Rollendebut in Bayreuth gab, in der Darstellung eines Mannes, dessen Leben Freude und Leid mit sich brachte und durch den er seine Kunst entwickelte, völlig angemessen. Die Stimme des 55-jährigen Basses aus Attendorn verliert in einem Bassbariton-Part etwas an Qualität, der den Sänger zwingt, seine Klangfarbe etwas aufzuhellen, aber seine Phrasierung ist stets die eines erstklassigen Interpreten, und er schien immer sehr genau und aufmerksam für die Nuancen der Worte, insbesondere in den beiden großen Monologen. Michael Nagy spielte Beckmesser in einem ausgesprochen traditionellen Stil, dem eines Pedanten, der sich mit seinen Manierismen lächerlich macht. Der koreanische Bass Jongmin Park überzeugte mit seiner kraftvollen und souveränen Stimme, die sanft und volltönend klang, auch wenn die Aussprache gelegentlich etwas verwaschen wirkte. Auch die Leistung des gesamten Ensembles war makellos, darunter die von Tobias Kehrer als Nachtwächter im zweiten Akt. Ein triumphaler Erfolg für alle am Schluss, eine Aufführung, die der großen Bayreuther Tradition absolut würdig war, vor allem musikalisch.
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