
Foto ©Matthias Baus
Als letzte Neuproduktion im Jahr 2024 präsentierte die Staatsoper Stuttgart Casanova, eine Revueoperette, die bei ihrer Uraufführung 1928 einen triumphalen Erfolg feierte und die Gesangsgruppe „Comedian Harmonists“ berühmt machte. Der Text von Rudolph Schanzer und Ernst Welisch geschrieben wurde von Rudolph Benatzky vertont, der als Grundlage die Musik der Operette Cagliostro in Wien von Johann Strauss jr. verwendete und Elemente von Swing, Tango und geistlicher Musik in einer stilistischen Melange hinzufügte, die in ihrer Kombination sehr erfolgreich war aus heterogenen Elementen. Experimentalismus und Avantgarde waren die Hauptmerkmale des kulturellen Lebens im Berlin der 1920er Jahre. Im Jahrzehnt zwischen dem Ende des Zweiten Reiches und der brutalen Durchsetzung des Nationalsozialismus erlebte Berlin eine goldene und unwiederholbare Zeit. Ein wahrer kultureller Frühling, bei dem das Motto carpe diem lautete, ein Aufruhr von Kunst, Gedanken und Kreativität. Es war das Jahrzehnt der kühnen expressionistischen Leinwände, der Kreativität im Verlagswesen, des Bauhauses, der Pioniere der Psychologie, der sogenannten Dragballs, des Kabaretts, von Metropolis und der gewagten Experimente in Film und Theater symbolisiert durch die Figur von Marlene Dietrich. Die bedeutendsten Künstler der Zeit (Bertolt Brecht, Otto Dix, Max Liebermann, Erich Kästner, Joachim Ringelnatz, Billy Wilder und andere) trafen sich im Romanischen Café am Kurfürstendamm, während Josephine Baker mit ihrem Auftritt 1926 den Charleston nach Deutschland brachte das Nelson-Theater am Ku’damm. Auch im musikalischen Bereich zeichnete sich die Berliner Szene der 1920er-Jahre durch den kühnen und experimentellen Ton ihrer Programmgestaltung aus. 1928 führten Bertolt Brecht und Kurt Weill im Theater am Schiffbauerdamm erstmals die Dreigroschenoper auf, die sofort ein Welterfolg wurde. Drei Jahre zuvor dirigierte Erich Kleiber die Uraufführung von Alban Bergs Wozzeck an der Staatsoper Unten Den Linden, während im Tiergarten Otto Klemperers Krolloper die ersten Beispiele moderner Opernregie bot. Die Machtergreifung der Braunhemden Hitlers bedeutete das Ende dieses goldenen Zeitalters und viele der bedeutendsten Künstler der Berliner Kulturwelt mussten im Ausland Zuflucht suchen. Auch die Aktivität der Comedian Harmonists wurde zunehmend eingeschränkt, da drei Mitglieder der Gruppe jüdischer Herkunft waren.

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Casanova hatte nicht den dauerhaften Erfolg anderer von Benatzky komponierter Werke, etwa des auch in Italien berühmt gewordenen „Im weißen Rösl“. Für den heutigen Hörer erweist sich die Kombination der Melodien von Strauss mit den rhythmischen Elementen des Jazz als äußerst interessant und unterhaltsam. Die gesamte Collage wurde gekonnt von einem Komponisten zusammengestellt, der sein Metier durchaus gut kannte und den Geschmack des Publikums zu erraten wusste. In der an der Staatsoper aufgeführten Fassung folgten die sieben Szenen der Operette ohne Pause aufeinander und die Originaldialoge wurden durch Texte aus dem 2018 erschienenen Buch „Verzeichnis einiger Verluste“ der Schriftstellerin Judith Schalansky ersetzt, das eine Reihe erzählt von Rückblenden auf das antike Sappho. Es gibt auch Werbetexte aus den 1920er Jahren, die von Mitteln zur Potenzsteigerung sprechen und einen Hauch von Ironie hinzufügen. Es gibt auch Werbetexte aus den 1920er-Jahren, die von Mitteln zur Potenzsteigerung sprechen und einen Hauch von Ironie hinzufügen.

Foto ©Matthias Baus
Der Hamburger Regisseur Marco Štorman, der hier in Stuttgart mit seinen Regien von Nixon in China, L’Orfeo und Götterdämmerung großen Erfolg gefeiert hatte, schuf eine von den Vorbildern des Musicals inspirierte Inszenierung mit fester Drehszene ausgestattet mit einer langen Treppe und modernen Kostümen. Im Großen und Ganzen war es eine sehr unterhaltsame Show, die zwar lebhaft, aber in manchen Punkten vielleicht etwas überladen und übertrieben war.

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Musikalisch war jedoch die Abend von ausgezeichneter Qualität und wurde am Podium von Cornelius Meister geleitet, der es bei dieser Gelegenheit sehr geschickt verstand, einem Staatsorchester an einem großen Abend ein Kaleidoskop an Rhythmen und Raffinessen zu entlocken. Auch die Stimmenbesetzung war exzellent, wobei das von Esther Dierkes und Moritz Kallenberg dargestellte Liebespaar hervorragte. Hervorragend waren auch Maya Gusenovas verführerische Helene, Stine Marie Fischers witzige Trude und Maria Theresa Ullrichs Barbarina, prägnant und einfühlsam in ihrer Phrasierung, die von der dänischen Tänzerin Cassie Augusta Jørgensen synchronisiert wurde, die auch die Choreografie erstellte. Michael Myers, der hier in Stuttgart den umjubelten Alberich in der Götterdämmerung gespielt hatte, überwand mit Leichtigkeit alle stimmlichen Schwierigkeiten der Rolle des Casanova, die für die außergewöhnliche Stimme des Bassbaritons Michael Bohnen, einem seiner Zeit größten Wagner-Interpreten, konzipiert war. Insgesamt war die Show meiner Meinung nach lustig, unterhaltsam und farbenfroh, sehr angenehm anzuhören und zu sehen und in allen Aspekten gut zusammengestellt. Am Ende applaudierte das Publikum den Mitgliedern des musikalischen Teils lange und herzlich, doch die Verantwortlichen für die Inszenierung ernteten heftigen Unmut und Buhrufe.
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